Kalter Mond by Giles Blunt

Kalter Mond by Giles Blunt

Autor:Giles Blunt
Die sprache: eng
Format: mobi, epub
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2011-11-23T12:32:10+00:00


27

Mord kommt in Algonquin Bay so selten vor, dass die Ermittler, wenn es mal einen gibt, dem Opfer nicht von der Pelle weichen. Sicher, sie konnten die Leiche einfach nach Toronto überführen. Sicher, sie konnten sich den Autopsiebericht telefonisch durchgeben lassen. Dasselbe galt für die Ballistik und andere Beweismitteluntersuchungen. Das Problem dabei war nur, dass es auf diese Weise noch länger dauerte als die acht Fahrstunden nach Toronto und zurück. Aus ihrer langjährigen Erfahrung beim Sonderdezernat hatte Delorme gelernt, dass bei einer Ermittlung nichts so sehr zählt wie der unmittelbare Kontakt. Weshalb sie und Cardinal selber nach Toronto fuhren, vierhundertfünfzig Kilometer nach Süden. Falls Cardinal darüber sauer war, dass er nach so kurzer Zeit schon wieder da runtermusste, zeigte er es nicht.

Len Weisman höchstselbst ließ sie herein, als sie vor der Tür des Instituts für Gerichtsmedizin standen; fast alle anderen hatten schon Feierabend gemacht, und Weisman war immer gerne der Erste, der eine Leiche zu sehen bekam.

Bei ihrem letzten Mordfall hatten Delorme und Arsenault eine Wette abgeschlossen, wie Weisman reagieren würde. Es war eine homosexuelle Affäre mit tragischem Ausgang gewesen, bei der einer der Männer seinen Liebhaber in einem Anfall von Eifersucht getötet hatte. Er hatte so gewütet, dass sie Fußspuren im Innern der Leiche gefunden hatten.

Arsenault hatte gewettet, dass Weisman nicht mit der Wimper zucken würde.

Delorme konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand so etwas sehen konnte, ohne eine Reaktion zu zeigen.

Als sie an die Laderampe der Neuzugänge traten, hatte Weisman den Reißverschluss des Leichensacks aufgezogen. Er betrachtete die Fußabdrücke in der Brusthöhle, stemmte die Hände in die Hüften und sagte: »Was meinen Sie? Schuhgröße 40/41?«

Ich hoffe, ich werde nicht auch mal so, dachte Delorme, als sie Weisman jetzt neuerlich die Hand schüttelte.

»Kommen Sie rein, kommen Sie rein. Sie sind spät dran. Der Patient ist vor ’ner Stunde eingetroffen.« Weisman bezeichnete die Leichen grundsätzlich als Patienten.

»Wie ich sehe, haben Sie sich schon für den Strand umgezogen«, sagte Cardinal.

Zu seinem Tweed-Jackett mit Krawatte und Jeans trug Weisman so etwas wie Jesuslatschen.

»Ich habe immer heiße Füße«, sagte Weisman. »Kreislaufproblem.«

Er führte sie in sein winziges Büro. Auf seinem Schreibtisch stapelten sich die Berichte, Lehrbücher und ein Kassettenrekorder sowie mehrere Orangen mit einem überreifen Duft. Auf seinem Computerbildschirm leuchtete eine Website über Toxikologie. Weisman schnappte sich einen Laborkittel und schlüpfte hinein, während er sie einen gefliesten Flur entlangführte.

Er hielt ihnen die Tür auf, und sie betraten die eigentliche Leichenhalle, wo sich ein bärtiger Mann in weißem Kittel über den Toten beugte.

»Dr. Srinagar, darf ich bekannt machen, Detective Lise Delorme und Detective John Cardinal von der Kripo Algonquin Bay.«

Dr. Srinagar deutete eine Verbeugung an. »Bitte verzeihen Sie, wenn ich Ihnen nicht die Hand geben kann. Sie haben so eine lange Fahrt hinter sich, dass Sie wahrscheinlich noch müder sind als ich.« Er hatte einen netten indischen oder pakistanischen Akzent, Delorme hätte nicht sagen können, was von beidem. Unter der OP-Haube quoll grau meliertes Haar hervor.

»Danke für die Überstunden, Doktor«, sagte Cardinal. »Was können Sie uns bis jetzt sagen?«

»Unser junger Patient hat ein äußerst unglückliches Ende genommen.



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